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Station 03: Hochschule Magdeburg Stendal. Zwischen Messwert und Maßnahme - Der Umgang mit Umweltradioaktivität in Sachsen-Anhalt - RENO-TITAN

Studienreise

Station 03: Hochschule Magdeburg Stendal. Zwischen Messwert und Maßnahme - Der Umgang mit Umweltradioaktivität in Sachsen-Anhalt

Station 03: Hochschule Magdeburg Stendal. Zwischen Messwert und Maßnahme - Der Umgang mit Umweltradioaktivität in Sachsen-Anhalt

Wie wird Radioaktivität in der Umwelt gemessen, bewertet und in Maßnahmen übersetzt? Ein Seminar an der Hochschule Magdeburg-Stendal gab Einblick Grundlagen des Strahlenschutzes und zum Umgang mit natürlicher Radioaktivität wie Radon. Es wurden Praxisbeispiele aus Sachsen-Anhalt sowie der Beitrag von Bürgerforschung vorgestellt.

 

An der Hochschule Magdeburg-Stendal, dem federführenden deutschen Partner im RENO-TITAN-Projekt, standen Grundlagen und Praxis des Strahlenschutzes im Mittelpunkt. Ein Referent aus diesem Bereich im Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt erläuterte zunächst die Ortsdosisleistung, das Maß für die äußere Gammastrahlung pro Stunde an einem bestimmten Ort, gemessen in Mikrosievert pro Stunde. Typische natürliche Werte in Deutschland liegen bei etwa 0,1 Mikrosievert pro Stunde und variieren je nach Geologie. Höhere Uran- und Thoriumgehalte im Gestein führen zu einer erhöhten Hintergrundstrahlung. Selbst kurzfristige Wettereffekte haben Einfluss: Regen wäscht kurzlebige Zerfallsprodukte des Radons aus der Luft und kann die Gammastrahlung am Boden vorübergehend ansteigen lassen, während eine geschlossene Schneedecke die Strahlung abschirmt und die Messwerte senkt.

Darauf aufbauend erläuterte der Referent die Jahresdosis. In Deutschland beträgt die durchschnittliche natürliche Strahlenbelastung etwa 2,1 Millisievert pro Jahr, die überwiegend durch das Einatmen von Radon und seinen Folgeprodukten entsteht. Hinzu kommen terrestrische und kosmische Strahlung sowie kleinere Beiträge aus Nahrung und Trinkwasser. Zivilisatorische Anteile, vor allem aus medizinischen Anwendungen wie Röntgen und CT, führen zu einer Gesamtdosis von durchschnittlich 3,6 Millisievert pro Jahr. Für zusätzliche Dosen der Bevölkerung aus genehmigungspflichtigen Tätigkeiten gilt ein Richtwert von 1 Millisievert pro Jahr. Dieser Zusatzwert steuert, welche technischen Maßnahmen erforderlich sind, wie überwacht wird und welche Entsorgungswege in Frage kommen. Dabei gilt das ALARA-Prinzip: die Exposition so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar zu halten.

Der Referent ordnete auch den Rechtsrahmen ein. Grundlage sind die EU-Grundnormen zum Strahlenschutz (Richtlinie 2013/59/Euratom), die in Deutschland durch Strahlenschutzgesetz und Strahlenschutzverordnung umgesetzt werden. Während der Bund die Regeln setzt, sind für die Vollziehung die Länder zuständig – in Sachsen-Anhalt das Landesamt für Verbraucherschutz. Für Tätigkeiten mit möglicher NORM-Exposition sind eine Dosisabschätzung und eine Dokumentation vorgeschrieben; je nach Ergebnis können Anzeigepflichten und Schutzmaßnahmen folgen.

Am Beispiel Sachsen-Anhalts zeigte der Referent die praktische Handhabung von NORM und natürlicher Radioaktivität. Beim radioaktiven Edelgas Radon weist das Land Vorsorgegebiete aus und orientiert sich am Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter für Innenräume. Ein Becquerel entspricht einem radioaktiven Zerfall pro Sekunde. Liegt ein erhöhter Radon-Erstmesswert vor, folgt eine längerfristige Zweitmessung sowie eine Gebäudediagnose. Danach setzt man einfache Schritte um: Fugen sowie Kabel- und Rohrdurchführungen abdichten, gezielt stoßlüften und die Druckverhältnisse zwischen Erdreich und Innenraum ausbalancieren. Ein Gebäudeunterdruck, beispielsweise durch eine starke Abluftanlage, kann radonhaltige Bodenluft ansaugen. Gesicherte Zuluft und eine geregelte Abluft vermindern diesen Effekt. Reichen diese Maßnahmen nicht, kommen aktive Systeme zum Einsatz, zum Beispiel eine Unterboden-Absaugung mit Radonbrunnen. Dabei erfasst ein Saugschacht die Bodenluft unter der Bodenplatte und leitet sie per Ventilator nach außen ab; dadurch sinkt der Radondruck unter dem Gebäude und der Eintrag wird deutlich reduziert. Den Abschluss bildet eine Erfolgskontrolle durch Nachmessung und, falls nötig, eine Feinjustierung der Maßnahmen.

Ein konkretes NORM-Beispiel aus der Altmark ist die frühere Erdgasförderung. In Leitungen und Anlagen bildeten sich Ablagerungen und Schlämme, die auch radioaktives Radium, Polonium und Blei enthalten. Bei Wartung und Rückbau werden diese Stoffe entfernt, radiologisch geprüft, getrennt gesammelt und für die sichere Entsorgung konditioniert. Die Anlagenteile werden durch mechanisches Abtragen, Hochdruckwasser oder chemische Verfahren gereinigt. Erst wenn gereinigte Bauteile die Freigabewerte unterschreiten, können sie wiederverwendet oder recycelt werden. Als historisches NORM-Beispiel wurde das Mansfelder Land mit seinem Kupferschieferbergbau thematisiert. Sowohl Erz als auch Kupferschlacke enthalten natürliche Radionuklide. Da diese Schlacke früher im Straßen- und Wasserbau oder in Form von Pflastersteinen verbaut wurden, kann die Gammastrahlung an solchen Orten leicht erhöht sein.

Neben amtlichen Messnetzen kann auch Citizen Science wertvolle Beiträge leisten. Die Organisation Safecast sammelt ehrenamtlich Messdaten zur Umgebungsstrahlung und stellt sie weltweit frei zur Verfügung (CC0-Lizenz). Davon profitieren Öffentlichkeit, Bildung, Forschung und Behörden, da die feinräumigen Daten die amtlichen Netze sinnvoll ergänzen. Ziel sind Transparenz und Vertrauen. Baupläne, etwa für den bGeigie, einen von Safecast entwickelten tragbaren Geigerzähler mit GPS, sind ebenso frei zugänglich. Wichtig ist: Citizen-Science-Daten ersetzen keine amtliche Dosimetrie, können sie bei guter Methodik und Qualitätssicherung aber praxisnah unterstützen.

Im Anschluss besichtigte die Gruppe Speziallabore der Hochschule Magdeburg, darunter das Bauprodukte- und das Wasserbau-Labor. Ein Grillabend auf dem Campus in entspannter Atmosphäre, der von den vietnamesischen Gästen sehr geschätzt wurde, rundete den Tag ab.


Weitere einführende Materialien

Videos zum Thema Radon (Deutsch)

 

 

 

 

 

 

 

Vortrag zum Thema Strahlenschutz mit besonderem Bezug auf Sachsen-Anhalt an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Bild: Petra Schneider.Besichtigung des Bauproduktelabors an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Bild: Petra Schneider.Besichtigung des Rohstofflwerkstatt an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Bild: Petra Schneider.
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