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Station 01: KRONOS TITAN in Nordenham - Vom Rohstoff zum Weißpigment - RENO-TITAN

Studienreise

Station 01: KRONOS TITAN in Nordenham - Vom Rohstoff zum Weißpigment

Station 01: KRONOS TITAN in Nordenham - Vom Rohstoff zum Weißpigment

Das Unternehmen KRONOS TITAN in Nordenham stellt aus dem schwarzen, aus Norwegen kommenden Mineral Ilmenit im Sulfatverfahren strahlend weißes Titandioxid her. Wieviel "Kreislaufwirtschaft" dabei möglich ist und die Umwelt mitgedacht werden kann, war ein Schwerpunkt des Besuchs.

Gleich zu Beginn erlebte die Gruppe einen Höhepunkt: den Besuch bei KRONOS TITAN, einem weltweit tätigen Hersteller von Titandioxid (TiO₂). Aus über 90 % der weltweit geförderten titanhaltigen Minerale wird TiO₂-Pigment hergestellt, das in Farben, Kunststoffen, Papier und Kosmetik für Deckkraft und strahlendes Weiß sorgt. Der deutsche Standort in Nordenham an der Wesermündung wird von der KRONOS TITAN GmbH betrieben, dessen Titanrohstoffe aus einem firmeneigenen Tagebau in Norwegen bezogen werden.

Im Werk wurde erläutert, dass es zwei etablierte Verfahren zur Herstellung von TiO₂ gibt: das Sulfat- und das Chloridverfahren. Während das Werk in Leverkusen das Chloridverfahren einsetzt, nutzt der Standort Nordenham den Sulfatprozess mit Ilmenit als Ausgangsrohstoff. Bei der Aufbereitung des schwarzen Titan-Eisen-Minerals mit Schwefelsäure werden Eisenbestandteile entfernt, und Titanoxidhydrat erhalten. Durch Kalzinieren, das heißt, einen Brennprozess bei hoher Temperatur, bei dem gebunMdenes Wasser entweicht und sich die stabile Kristallstruktur bildet, entsteht das weiße TiO₂-Pigment. Anschließendes Feinmahlen und eine gezielte Oberflächenbehandlung verleihen dem Pigment schließlich die gewünschten Eigenschaften für seine entsprechende Verwendung.

Ein Aha-Moment war das Industriesymbiose-Konzept am Standort. In unmittelbarer Nachbarschaft wird Schwefelsäure produziert, die als wichtiger Einsatzstoff im Sulfatverfahren direkt verfügbar ist und so lange wie möglich im Kreislauf geführt wird. Gleichzeitig vermarktet KRONOS ecochem die im Prozess anfallenden Eisensalze als Nebenprodukte. Diese werden in der Abwasserbehandlung eingesetzt, wo sie mit gelösten Phosphaten zu schwer löslichen Eisenphosphaten reagieren, die sich als Flocken absetzen und so den Phosphorgehalt des Wassers senken. In der Zementindustrie dienen die Eisen(II)-Salze als Reduktionsmittel und wandeln problematisches Chrom(VI) in das weniger lösliche und toxische Chrom(III) um. So werden auch Nebenprodukte sinnvoll weitergenutzt.

Titanherstellung berührt das Thema NORM, weil natürliche Radionuklide aus Ausgangsmineralen sich in Aufbereitungs- und Abfallströmen anreichern können. Laut Firmenangaben spielt NORM im Nordenhamer Prozess jedoch keine große Rolle, da die eingesetzten Rohstoffe radiologisch unkritisch sind. Dennoch gibt es, wie in deutschen Chemiebetrieben üblich, klare Verantwortlichkeiten im Strahlenschutz, einschließlich eines Strahlenschutzbeauftragten. Das 1969 in Nordenham  gegründete Werk produziert heute mit etwa 350 Mitarbeitern im Schichtbetrieb rund 60.000 Tonnen TiO₂ pro Jahr. Der werksnahe Hafen und die kurzen Wege zu den Seehäfen bieten dabei logistische Vorteile.

 


Materialien zum Thema

 

Themenfeld: KRONOS TITAN – Fokus Nachhaltigkeit

 

Deutsch

  • Kurzbroschüre von KRONOS ecochem mit kompaktem Überblick zur Nebenproduktverwertung (insbesondere FeSO₄), zu Kreislauflösungen sowie zu Energie- und Umweltthemen im Unternehmen.
    KRONOS ecochem. (2024). Nachhaltigkeit bei KRONOS ecochem: Because you matter [Broschüre]. Link zur Broschüre

English

  • Konzernweiter ESG-Bericht mit zentralen Kennzahlen und Maßnahmen zu Governance, Umwelt und Sozialem (u. a. Energie, Emissionen, Arbeitssicherheit).
    Kronos Worldwide, Inc. (2023, Oktober 6). KRONOS ESG Report 2023. Link to the report

 

Themenfeld: TiO₂-Herstellung (inkl. Nachhaltigkeitsaspekte) und Eigenschaften

Deutsch

  • Leitfaden zu besten verfügbaren Techniken (BAT) für die Titandioxid-Herstellung, inkl. Sulfat/Chlorid-Routen, Emissionen, Abwasser-/Abfallbehandlung und Energieeffizienz.
    Umweltbundesamt. (2001, Juni). German notes on BAT of the production of: Large volume inorganic chemicals. Titandioxid. Link zum Leitfaden
     
  • Masterarbeit zur Technik und Wirtschaftlichkeit eines kombinierten TiO₂-Verfahrens (Sulfat/Chlorid) mit Fokus auf Prozessketten, Nebenprodukte und Kosten.
    Miedler, P. (2015). TiO₂-Pigmentherstellung – Technik und Wirtschaftlichkeit eines kombinierten Verfahrens [Masterarbeit, Montanuniversität Leoben]. Montanuniversität Leoben Forschungsportal. Link zur Masterarbeit 

English

  • Übersichtsarbeit zum gesamten Produktionszyklus von TiO₂ – von Rohstoffen über Sulfat-/Chloridprozesse bis zu Anwendungen – mit Fokus auf Nebenprodukte/Verwertung und Umweltaspekten.
    Gázquez, M. J., Bolívar, J. P., García-Tenorio, R., & Vaca, F. (2014). A review of the production cycle of titanium dioxide pigment. Materials Sciences and Applications, 5(7), 441–458. Link to the article
     
  • EU-BREF zu großvolumigen anorganischen Chemikalien (u. a. Titandioxid) mit beschriebenen BAT-Techniken, Kapiteln zu Sulfat-/Chloridprozessen und detaillierten Maßnahmen zur Emissions- und Abwasserminderung.
    European IPPC Bureau. (2007). LVIC-S BREF: Large volume inorganic chemicals – solids and others. Link
     
  • Enzyklopädischer Überblick über anorganische Weißpigmente (insbesondere TiO₂) mit Eigenschaften, Rohstoffen, Herstellprozessen, Qualitätskriterien und Anwendungen.
    Auer, G., Woditsch, P., Westerhaus, A., Kischkewitz, J., Griebler, W.-D., & De Liedekerke, M. (2017). Pigments, Inorganic: 2. White Pigments. In Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley-VCH. Link to the chapter

 

Themenfeld: Strahlenschutz bei der TiO₂-Herstellung (NORM)

Deutsch

  • BfS – „Fachinfothek NORM“. Übersichtsseite mit Hilfestellungen und Materialien zur Abschätzung der Strahlenbelastung durch häufige NORM-Stoffe in Deutschland, inkl. weiterführender Verweise. 
    Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). (o. J.). Fachinfothek NORM. Link zur Webseite 

  • Endbericht zur Abschätzung potenzieller Strahlenexpositionen durch Ableitungen aus NORM-Industrien in Deutschland, inkl. Branchenübersicht (z. B. TiO₂), Emissionspfaden sowie Mess-/Modellierungsansätzen. 
    Kunze, C., Ettenhuber, E., & Schellenberger, A. (2018, Oktober). Ermittlung von potentiellen Strahlenexpositionen durch Ableitungen aus NORM-Industrien: Endbericht (BfS-RESFOR-141/18). Bundesamt für Strahlenschutz. Link zum Bericht

English

  • Überblick über die TiO₂-Herstellung mit besonderem Schwerpunkt auf NORM-Themen (natürliche Radioaktivität der Einsatzstoffe), Stoffströmen sowie daraus abgeleiteten Sicherheits- und Umweltaspekten.
    McNulty, G. S. (2008). Production of titanium dioxide. In: International Atomic Energy Agency (Ed.), Naturally occurring radioactive material (NORM V): Proceedings of an international symposium (Seville, Spain, 19–22 March 2007) (pp. 169–188). IAEA. Link to the article
  • IAEA-Safety Report zu Strahlenschutz und Management von NORM-Rückständen in der Titandioxid- und verwandten Industrie, mit Überblick über Prozesse, Expositionspfade, Überwachung und regulatorische Bewertung.
    International Atomic Energy Agency. (2012). Radiation protection and NORM residue management in the titanium dioxide and related industries (Safety Reports Series No. 76). Link to the report
     
  • Fachartikel stellt einen abgestuften methodischen Ansatz vor, um Expositionssituationen in NORM-betroffenen Industrien systematisch zu erfassen und daraus angemessene Strahlenschutzmaßnahmen abzuleiten.
    Trevisi, R., Ampollini, M., Bogi, A., Bucci, S., Caldognetto, E., La Verde, G., Leonardi, F., Luzzi, L., Nuccetelli, C., Peroni, I., Picciolo, F., Pratesi, G., Trotti, F., Ugolini, R., Venoso, G., & Pugliese, M. (2023). Radiological protection in industries involving NORM: A (graded) methodological approach to characterize the exposure situations. Atmosphere, 14(4), 635. Link to the article

  • Peer-reviewte Studie, die die Verteilung von U-/Th-Radionukliden entlang des Titandioxid-Herstellprozesses (Rohstoffe, Produkte, Neben- und Abfallströme) bestimmt und daraus den potenziellen Umwelt-/Expositionsbezug ableitet.
    Mantero, J., Gazquez, M. J., Bolivar, J. P., Garcia-Tenorio, R., & Vaca, F. (2013). Radioactive characterization of the main materials involved in the titanium dioxide production process and their environmental radiological impact. Journal of Environmental Radioactivity, 120, 26–32. Link to the article
     
  • Vortragsfolien zur Ermittlung der beruflichen Strahlenexposition in einem südwestspanischen TiO₂-Sulfatwerk (Materialcharakterisierung, Gamma-Dosisraten, Inhalation/Rn-222) mit dem Befund, dass die effektiven Dosen unter normalen Bedingungen < 1 mSv/a liegen.
    Bolivar, J. P., Garcia-Tenorio, R., Mantero, J., Gazquez, M. J., & Lozano, R. (2010, March). Occupational exposure assessment in a titanium dioxide plant located at the south-west of Spain [Konferenzvortrag]. NORM VI Conference, Marrakech, Morocco. Link to the presentation
     
  • Konferenzbeitrag zur Bewertung externer (γ) und interner (Inhalation) beruflicher Strahlenexposition in einem spanischen TiO₂-Sulfatwerk; Ergebnis: unter Normalbetrieb < 1 mSv/a, mit Vorsichtsmaßnahmen bei Wartungsarbeiten.
    Bolívar, J. P., García-Tenorio, R., Mantero, J., Gázquez, M. J., & Lozano, R. (2011). Occupational exposure assessment in a titanium dioxide plant located in the south-west of Spain. In: International Atomic Energy Agency (Ed.), Naturally occurring radioactive material (NORM VI): Proceedings of an international symposium (Marrakesh, Morocco, 22–26 March 2010) (pp. 109–117). IAEA. Link to the article
     
  • Studie zur mineralogischen, chemischen und radiologischen Charakterisierung von Ablagerungen („waste scales“) aus der Titandioxid-Industrie und zur Bewertung der daraus resultierenden radiologischen und chemischen Risiken.
    Gázquez, M. J., Mantero, J., Mosqueda, F., Vioque, I., García-Tenorio, R., & Bolívar, J. P. (2021). Radiological and chemical risks by waste scales generated in the titanium dioxide industry. Chemosphere, 274, 129732. Link to the article

 

 

Herzlicher Empfang bei KRONOS TITAN in Nordenham. Bild: Petra Schneider.Einführendes Seminar bei KRONOS TITAN. Ressourcenschonung und Nachhaltigkeitsaspekte waren ein wesentliches Thema. Bild: Petra Schneider.Auch Strahlenschutz ist ein relevanter Aspekt. Bild: Petra Schneider.Gruppenfoto auf dem Werksgelände bei KRONOS TITAN in Nordenham. Bild: Conrad Dorer.Ausgangsprodukt für das Sulfatverfahren ist Ilmenit, das von einer firmeneigenen Mine aus Norwegen kommt. Bild: Petra Schneider.Feingemahlenes Ilmenit aus Norwegen wird beim Seminar betrachtet.Beim Sulfatverfahren wird Ilmenit mit konzentrierter Schwefelsäure zu Titanylsulfat umgesetzt. Durch Zugabe von Wasser und unter kontrollierten Bedingungen fällt Titanoxid-Hydrat aus. Dieses Hydrat wird anschließend calciniert, um reines TiO₂ zu erzeugen.Das Endprodukt des Sulfatverfahrens ist strahlendweißes Pigment – Titandioxid. Bild: Petra Schneider.Das Endprodukt des Sulfatverfahrens ist strahlendweißes Pigment – Titandioxid. Bild: Petra Schneider.Blick auf das Fabrikgelände von der Waserfähre. Bild: Petra Schneider.Collage zum Besuch bei KRONOS TITAN am 11.09.2024
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